Synthetische Transaktionsversicherungen- eine Bestandsaufnahme

Warranty & Indemnity Versicherungen (W&I) haben sich in den vergangenen Jahren etabliert, um Erwartungsdiskrepanzen zwischen Verkäufer und Käufer im Hinblick auf unbekannte Haftungsrisiken zu überbrücken. In vielen Fällen war die Versicherung mitunter ein Katalysator, da der Verhandlungsprozess erheblich entschlackt werden kann.

Warranty & Indemnity Versicherungen (W&I) haben sich in den vergangenen Jahren etabliert, um Erwartungsdiskrepanzen zwischen Verkäufer und Käufer im Hinblick auf unbekannte Haftungsrisiken zu überbrücken. In vielen Fällen war die Versicherung mitunter ein Katalysator, da der Verhandlungsprozess erheblich entschlackt werden kann. Diese Brückenfunktion der W&I wird in den kommenden Monaten in einem von Vorsicht und Zurückhaltung geprägten Markt vermutlich noch wichtiger werden. In den letzten Jahren gewannen synthetische Elemente der W&I zunehmen an Bedeutung. Diese erlauben es den Parteien, bestimmte Themen nicht im Kaufvertrag zu adressieren, sondern ausschließlich in der Police. Indes wird der Begriff der „synthetischen“ W&I nicht einheitlich verwendet. Es drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass vielfach der Inhalt von Wunschdenken geprägt war und das tatsächlich Mögliche von Marketingaussagen verdrängt wurde. Nachfolgend sollen die wichtigsten synthetischen Elemente vorgestellt werden. Außerdem sollen die jeweiligen Schwierigkeiten dargestellt und Lösungsvorschläge unterbreitet werden.

1. Synthetische Verbesserungen (Enhancements)

Synthetische Verbesserungen sind ein bekanntes und bewährtes Instrument im Rahmen einer W&I und bereits seit einigen Jahren verfügbar. Dabei enthält die Police bestimmte, für den Versicherungsnehmer vorteilhafte, Umstände, die das SPA nicht gewährt. Die Police löst sich also an diesen Punkten vom SPA, dessen Garantiefall sie versichert. Nachfolgend sind die wesentlichen Verbesserungen dargestellt:

a. Verjährungsfrist
Die Verjährungsfrist der Police ist unabhängig von der zwischen den Parteien vereinbarten Verjährungsfrist nach dem SPA. Die Police sieht üblicherweise eine Verjährung der Ansprüche aus operativen Garantien nach zwei bis drei Jahren vor, während Ansprüche aus fundamentalen Garantien und Steuergarantien oder einer Steuerfreistellung nach sieben oder maximal zehn Jahren verjähren.

b. De minimis
Die Police bestimmt eine eigene Lästigkeitsschwelle, die von der Vereinbarung der Parteien im SPA unabhängig ist. Maßstab hierfür ist im Grundsatz die Aufgreifschwelle der Due Diligence Prüfungen. Ferner kann die Police unabhängig vom SPA bestimmen, dass Serienschäden bei der Berechnung des de minimis als ein Schaden gelten und damit die notwendige Schwelle weiter reduzieren.

c. Knowledge Scrape
Mittels eines Knowledge Scrapes versichert die Police eine Garantie, die nach dem SPA wissensqualifiziert abgegeben wurde, als objektive Garantie. Für Zwecke der Police wird damit also die Wissensqualifikation ignoriert.

d. Materiality Scrape
Ein Materiality Scrape funktioniert ähnlich: Eine Garantie, die eine Materialitätsschwelle enthält, wird als objektive Garantie betrachtet. Dabei wird die Qualifikation für Zwecke der W&I-Versicherung außer Acht gelassen.

e. Grob fahrlässige Unkenntnis des Verkäufers/positive Kenntnis des Käufers

Ein aktuelles Instrument betrifft die relevante Kenntnis der Parteien. Bei kenntnisqualifizierten Garantien ist es für den Käufer entscheidend, wie weit das Wissen des Verkäufers reicht. Es ist für den Käufer vorteilhaft, wenn bereits grob fahrlässige Unkenntnis des Verkäufers einen Anspruch begründen würde. Umgekehrt führt die Kenntnis des Käufers von schadensrelevanten Umständen zu einem Anspruchsausschluss. Daher hat der Käufer ein Interesse daran, sein eigenes relevantes Wissen möglichst eng zu fassen. Die Police kann – jeweils abweichend von der Vereinbarung im Kaufvertrag – die gewünschte Definition (zumindest teilweise) festlegen.

f. Schadensbegriff

Außerdem wird vermehrt eine Erweiterung des vertraglich vereinbarten Schadensbegriffs in die Police aufgenommen. Derzeit wird der erstattungsfähige Schaden in Kaufverträgen regelmäßig auf direkte Schäden begrenzt. Die Police kann darüber hinaus auch Ersatz für indirekte Schäden und entgangenen Gewinn vorsehen, allerdings lediglich soweit jeweils typischerweise vorhersehbar.

g. Offenlegung

Unter bestimmten Voraussetzungen ist es möglich, dass weder der Datenraum noch die Due Diligence Berichte unter der Police dem Käufer gegenüber als offengelegt gelten und somit keinen anspruchsausschließenden oder -mindernden Effekt haben. Dadurch könnte der Käufer selbst dann einen Anspruch geltend machen, wenn Informationen, die einen Verstoß gegen eine Garantie begründen, im Datenraum oder den Due Diligence Berichten enthalten sind.

Allerdings ist hierbei auf die Formulierung der No Claims Declaration zu achten. Diese Erklärung gibt der Käufer als Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer ab und bestätigt darin, dass er keine Kenntnis von einem garantieverletzenden Umstand hat. Wird die Offenlegungswirkung der Due Diligence Berichte in der Police ausgeschlossen, finden sich in der No Claims Declaration oft Hinweise darauf, dass die entsprechenden Personen die Berichte vollständig gelesen und verstanden haben. Über diesen Umweg könnte eine schädliche Information zu einem positiv bekannten Umstand werden, der ebenfalls den Anspruch gegen die Versicherung ausschließt.

2. Synthetische Steuerfreistellungen

Als erstes voll-synthetisches Instrument kennt der Markt bereits seit mehreren Jahren synthetische Steuerfreistellungen. D.h. das SPA enthält keine Steuerfreistellung zugunsten des Käufers. Folglich besteht für die Verkäufer kein Risiko einer späteren Nachforderung aufgrund nach Closing geltend gemachter Steuer für einen Zeitraum davor. Die Steuerfreistellung wird lediglich in der Police verankert. Sie entspricht im Wesentlichen dem Markstandart einer üblichen Steuerfreistellung. Entscheidend kommt es hierbei auf die steuerliche Due Diligence Prüfung des Käufers an, die in jedem Fall die Grenzen für die Freistellung definiert, d.h. die Versicherung wird sich im Hinblick auf Steuerarten, -jahre und -subjekte am Prüfungsumfang der Due Diligence orientieren.

3. Quasi-synthetische Garantiekataloge – management warranty deed

Ein häufig als quasi-synthetische Lösung bezeichnetes, jedoch nicht vollständig synthetisches Instrument ist die sogenannte Management Warranty Deed (MWD), die im angelsächsischen Rechtsraum seit langem zum Standardrepertoire gehört. Eine MWD ist ein eigenständiger Vertrag, der zusätzlich zum SPA abgeschlossen wird. Darin übernimmt das Management zugunsten des Erwerbers sämtliche operativen, auf den Geschäftsbetrieb bezogenen Garantien. Das SPA selbst enthält ausschließlich fundamentale Garantien der Verkäufer.

Im Ergebnis wird der Garantiegeber in Bezug auf die operativen Garantien durch das Management ersetzt. Aus Sicht des Erwerbers (und auch der Versicherung) hat eine MWD Vorteile, da der sachnähere Akteur die Garantieerklärung abgibt. Gleichwohl hat das Management häufig eine geringere Kreditwürdigkeit als der Verkäufer. In einem Marktumfeld, in dem minimale Haftungshöchstgrenzen üblich sind, ist dies jedoch zu verschmerzen.

Die Police bezieht sich auf die in der MWD enthaltenen Garantien und versichert diese, als wären sie Teil des SPA selbst, da die Person des Garantiegebers für die Versicherung in der Regel zweitrangig ist. Die MWD kann somit viele Probleme vermeiden, die regelmäßig zum Scheitern komplett synthetischer Lösungen führen.

4. Synthetische Garantiekataloge

Vollständig synthetische Garantiekataloge – also solche, die keine Grundlage im Kaufvertrag haben und weder der Verkäufer noch das Management Garantien gibt – sind in der Praxis weiterhin die Ausnahme, erfreuen sich bei Transaktionen mit überschaubaren Risikoprofilen allerdings immer größerer Beliebtheit.

a. Schwierigkeiten
Die grundsätzliche Schwierigkeit synthetischer Garantien ohne Garantiegeber liegt in der fehlenden Offenlegung – sowohl im Sinne einer allgemeinen Offenlegung über einen Datenraum als auch einer spezifischen Offenlegung punktuell gegen einzelne Garantien. Selbst wenn eine allgemeine Offenlegung über den Datenraum erfolgt, sind viele operative Garantien für den Käufer wertvoll, weil der Verkäufer den Inhalt prüfen muss, um die Konsequenz einer Vorsatzhaftung aufgrund einer Erklärung ins Blaue hinein zu vermeiden. Fehlt diese interne Prüfung, wird die Garantie entweder entwertet (z.B. weil sie auf die im Datenraum enthaltenen Angaben reduziert wird) oder kann nicht substituiert werden, da einem Dritten (hier dem Versicherer) die Kenntnis und Prüfungsmöglichkeit fehlt.

Darüber hinaus tritt im Falle fehlender Offenlegung ein weiteres Problem bei Garantien auf, die zum Zeitpunkt des Vollzugs wiederholt werden müssen. Hier ist üblicherweise ein sogenannter Bring-down erforderlich; der Verkäufer verpflichtet sich, zum Zeitpunkt des Closings erneut offenzulegen, ob sich zwischen Unterzeichnung und Vollzug Umstände ergeben haben, die die Garantie unrichtig werden lassen. Auch dieser Mechanismus funktioniert nicht ohne die Mitwirkung des Verkäufers und die Garantie wäre im Zweifel statisch und bezöge sich lediglich auf den Zeitpunkt des Signings.

b. Lösungen
Um die beschriebenen Probleme zu umgehen, bieten sich verschiedene Anknüpfungspunkte an:

i. Datenraumbestückung / document requests
Die Qualität des Datenraums – sowohl hinsichtlich der Vollständigkeit als auch der Organisation – ist entscheidend für die Qualität der Garantien. Der Datenraum muss einen umfassenden Überblick über die Zielgesellschaft bieten, insbesondere um eine zutreffende Risikoanalyse aller kritischen Punkte zu ermöglichen. Jede W&I-Police orientiert sich beim Umfang der versicherten Garantien an der Due Diligence des Käufers. Dementsprechend sind die verfügbaren Informationen im Vorfeld entscheidend, um einen umfassenden Garantiekatalog erstellen zu können. Es ist daher sinnvoll, bereits früh im Prozess versicherungstaugliche Dokumentenanfragen zu erarbeiten, auf deren Grundlage der Datenraum befüllt wird. Die Bestückung des Datenraums sollte also von Anfang an mit Blick auf den beabsichtigten Umfang der zu versichernden Garantien erfolgen.

ii. Verkäuferprozess
Wird die Versicherung bereits auf Verkäuferseite vorbereitet, bietet es sich an, den beschriebenen Prozess noch frühzeitiger zu beginnen. Dann kann die Datenraumbefüllung nach Vorgaben der Versicherung mit einer Q&A des Managements kombiniert werden, um dem Versicherer einen möglichst umfassenden Eindruck zu vermitteln. Dem Käufer oder den Bietern kann dann ein bereits vorverhandeltes Garantiepaket angeboten werden, das in der Due Diligence des Käufers lediglich verifiziert werden muss.

iii. Objektiv prüfbare Garantien
Wo eine Garantie objektiv nachprüfbar ist und regelmäßig einer kritischen, objektiven Prüfung unterliegt – beispielsweise Bilanzgarantien auf Basis geprüfter Jahresabschlüsse mit marktüblicher Financial Due Diligence – kann eine Garantie auch ohne entsprechende Offenlegung des Verkäufers synthetisch versichert werden. Einschränkungen gelten hier freilich, wenn aussagekräftige Abschlüsse fehlen, etwa im Insolvenz- oder Distressed-Szenario.

iv. Q&A
Ganz entscheidend wird es immer darauf ankommen, dem Versicherer ein Forum mit dem Management der Zielgesellschaft zu ermöglichen, in dessen Rahmen Fragen zu einzelnen Garantien gestellt werden können, um dadurch eine Art quasi-Offenlegung zu erreichen. In der Praxis erfüllt diese Funktion häufig das Q&A-Tool im gewöhnlichen Prozess. Dabei formuliert der Käufer die Fragen an den Verkäufer in Abstimmung mit der Versicherung, um so die wesentlichen Elemente abzufragen und ein umfassendes Bild der Zielgesellschaft zu erhalten. Steht das Management auch in Vorbereitung des Closing für einen solchen Dialog zur Verfügung, ließen sich Garantien ferner auch auf den Zeitpunkt des Vollzugs erstrecken.

5. Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich der W&I-Markt im Hinblick auf das Bedürfnis nach synthetischen Produkten enorm entwickelt hat und weiterhin rasant fortschreitet. In bestimmten Situationen besteht bereits heute die Möglichkeit, umfassende Garantiekataloge zu versichern, selbst wenn diese nicht zwischen den Parteien ausgehandelt wurden. Dennoch steht dieses Segment noch am Anfang und sieht sich etlichen, teils gewichtigen Schwierigkeiten gegenüber. Solange man jedoch in der Praxis die unvermeidlichen Hindernisse berücksichtigt und angemessen adressiert und zudem die Möglichkeit hat, den Prozess entsprechend anzupassen, lässt sich eine (teilweise) synthetische W&I durchaus verwirklichen.